Anmerkungen zu Plastiken von Wolfgang Kohl
Was Wolfgang Kohl zu seinen Bildwerken, den bildnerischen Anlässen und Wegen sagt, ist gleichlautend mit der Sprache seiner Bilder: klar, nicht überredend oder laut, nüchtern und eindringlich. Er stellt seine Persönlichkeit nicht vor das Bildwerk, damit man ihn sehe; er stellt sich vielmehr in Anliegen und Aussage mit ganzer Person hinter seine Arbeit. Alles ist einsichtig und begreiflich: das Werk wie das Wort.
Was bleibt zu tun? Nichts als eine Antwort des Betrachters:
Ich begegne Menschengestalten aus Holz. Nicht einer ist „ein Mann wie ein Baum“ entsprechend der Redensart. Die meisten gezeichnet von den „Jahresringen“ der Lebenszeit. Sich aufrecht haltend, oder auch gebeugt und niedergelegt erscheint ihre Körpersprache festgeschrieben in der plastischen Form. Ein Innehalten aus der Bewegung, ein Rest von „Vorgang“ – noch zu ahnen – bringt den Atem von Zeit und Geschehen ein in das ruhende Bild.
Vorübergegangener Augenblick schwingt nach und mündet ein in eine Zuständlichkeit der Bilder, die – gegenständlich im Motiv – als Gegenstände und Bilder den Raum mit mir teilen.
Keines fordert mit suggestiver Gebärde meine Aufmerksamkeit; aber jedes spricht eindringlich und ich halte inne. Denke nach über das Wieder-Erkennbare an den Gestalten. Denke, daß ihre Körpersprache – die Gesichter, die Haltungen – mir erfahrene Situationen an die Hand geben.
Denke, daß diese Plastiken so Situationen beschreiben.
Daß sie „Geschichten“ von Personen anzudeuten scheinen, aber nicht erzählen. Daß vielmehr so ins allgemeine gewendet das Identifizierbare dazu führt – oder verleitet? – sich in Gedanken zu identifizieren. Es ist das Wieder-Erkennbare, das sich mit großer Intensität des Bildes, in meinen Gedanken auswirkt mit solchem Nach-denken wird auch der Gegenstand befragt, nach den Spuren des Augenblicks in seiner bildnerischen Zuständlichkeit. Nach den Spuren seiner allgemeinen Bedeutungen in seiner dinglichen und doch auch dingfremden, weil ins Bildnerische übersetzten, Existenz.
So findet der Betrachter die Ebenen von Wirklichkeit im Bild: als Hinweis auf Vorgaben und allgemeines Erleben, als Frage an die Realität, die es zu begreifen gilt und die keineswegs einfach als bekannt unterstellt werden soll, als Frage an ihre Bedeutung – eine unter vielen möglichen -, die es zu beschreiben gilt, als Antwort auf Realität – eine unter vielen möglichen – als neue Realität in der Sprache des Bildes. Ebenen der Wirklichkeit, Dimensionen der Sprache, Handlungsräume des Nach-Denkens erschließen sich dem, der sich auf die Begegnung mit den Bildwerken einläßt. Auch hier in diesen Plastiken, wo die Identität des vor Augen stehenden Bildes in seiner inhaltlichen Ganzheit die Identität des Betrachtenden befragt und seine Persönlichkeit sucht, sie in das „Spiel“ zu bringen, in dem Entscheidung, Stellungnahe, Verantwortung, Fragen, Verletzbarkeit, Widerstandskraft das Handeln bestimmen.
Prof. Dr. Hildegard Reitz
Aachen, 1988